Im Weiß


Rauminstallation
Baugerüst, weißes Gerüstnetz

BDA Galerie - Berlin 2020


Gleich lagenweise geschichtetem, diaphanem Skizzenpapier wird in der Arbeit der Übergang aus der äußeren in eine Innenwelt durch das „Prinzip Raumfilter“ aufgeblättert und zunehmend gradiert.
Inspiriert von der Verwandlung von Fassaden durch Bauplanen und Netze teilt sie die Begeisterung August Endells für die wohltuende Wirkung der „Schleier des Tages“, die mittels perzeptorischer Filterung der „gräulichen Steinhaufen“ bis hin zur Auslöschung Raum für empfindsamere Vorstellungswelten bereiten. Aus den unterschiedlichen Wahrnehmungsperspektiven der begehbaren Raumintervention – von außen, aus dem Zwischenraum und von innen – wird ein Vexierspiel von Körper, Raum und Fläche erlebbar.

Im Weiß ist ein Teil von Kerstings Werkzyklus „Weißes Rauschen“.
Die Ausstellung wird von Tillmann Wagner aus dem Kuratorium der BDA Galerie Berlin kuratiert.

Synästhetische Natur des „Weißen Rauschen“
Die Farbmetapher Im Weiß verweist auf seine von der Überlagerung aller Farben generierte Natur, in der die Summe aller Farben im Weiß aufgeht. Wie in der Psychoakustik, in der weißes Rauschen zur Lärmbekämpfung und als Masker eingesetzt wird, so dass Lärm und andere Störgeräusche subjektiv als weniger laut und störend empfunden werden, wenn man sie mit weißem Rauschen überlagert – untersucht der Arbeitszyklus „Weißes Rauschen“, zu dem die Arbeit in der BDA Galerie gehört, dieses für die Architektur.

Nach der Auffächerung der Hülle in mehrere Schichten wird bei Kersting der Raum selbst geschichtet in einzelne Schleierebenen. Der durch Schleier geschichtete Raum ist dabei nicht mehr Behältnis für Inhalt, sondern filtrierendes Wahrnehmungsinstrument, das eine zunehmende Rücksetzung und Abblendung des Lauten und Vordergründigen der Stadt bewirkt bis zur Auslöschung.

Im Gegensatz zu früheren Arbeiten tritt man bei der Arbeit in der BDA Galerie selbst in den Raum des Schleiers ein und wird so Teil des Instruments und Motor der eigenen Wahrnehmung „Im Weiß“. Verwandtschaft zu Labyrinthgärten und Spiegelkabinette auf Jahrmärkten legen sich nahe.
Jedem Versuch, jedem Experiment wohnt ja der Natur seiner hypothetischen Grundlage nach eine Hoffnung inne auf etwas Neues oder etwas neu Erklärendes. Was ist die Hoffnung von Im Weiß?
Der Soziologe Jenö Kurucz hat in seinem Text „Die leere Mitte – eine Utopie“ zu den Bildern des Malers Paul Antonius eine solche wie folgt benannt: „Der Einbruch in die leere Mitte – in der Hoffnung, die Welt von dort aus anders einzurichten, und auf die Gefahr hin, sich dort spurlos zu verlieren.“


Tillman Wagner - Berlin, 2020