Foto: Carsten Pesch
René Kersting ist Architekt und bildender Künstler

In seinem Kölner Atelier arbeitet er an der Erforschung, Gestaltung und Realisierung atmosphärisch wirksamer Orte im Kontext von Architektur, Kunst und Inszenierung.

Er begreift die bildende Kunst als forschendes Werkzeug mit der Unschärfe der Abstraktion, das er nutzt, um sich atmosphärischen Themen der Architektur zu nähern. Dabei bedient er sich verschiedenster Medien wie Zeichnungen, Plastiken, analog-digitaler Mischtechniken und Installationen. Jeder größere Werkzyklus mündet in räumlich wirksamen, somit körperlich erfahrbaren Installationen/Plastiken im Maßstab 1:1.
Diese Arbeiten und Ausstellungen führen ihn an renommierte Orte im In-/Ausland (MAKK, Museum  Kunstpalast, Oper Köln, Sinalunga Italien).

Von 2017 bis 2020 lehrte er an der Detmolder Schule für Gestaltung im Lehrgebiet Entwerfen sowie von  2020 bis 2022 am Lehrstuhl für Künstlerische Gestaltung der Fakultät Architektur an der RWTH Aachen.  An selbigem hatte er von 2024 bis 2025 einen Lehrauftrag inne.

Er studierte Architektur an der PBSA Düsseldorf sowie Baukunst an der Kunstakademie Düsseldorf. Dort  erhielt er als Meisterschüler von Calle Petzinka den Akademiebrief für Baukunst mit Auszeichnung.

Er ist Mitglied der Architektenkammer NW,  sowie berufenes Mitglied des Deutschen Werkbundes.

Vita







Die Unschärfe der Abstraktion



Was mich in meinem Schaffen umtreibt, ist die Suche nach Schönheit.

„Entscheidend für uns heute ist, wenn wir das Wort schön verwenden, ob ein Mensch oder ein Ding, eine Szene oder ein Ort uns spüren läßt, daß wir da sind, ob diese Dinge, Menschen oder Szenen zur Intensivierung unseres Daseins beitragen.“ (Gernot Böhme, "Schönheit" in Atmosphäre - Essays zur neuen Ästhetik, 2013, S. 299)

Böhme beschreibt den Begriff der Schönheit hier als die unmittelbare leibliche Erfahrung einer Atmosphäre, einer Wirkung, die von einem Ort oder einem Objekt ausgeht. Dieser Gedanke soll die Grundlage für alles Weitere sein. 

Bei den alten Griechen gab es den Begriff der Parusie, der spürbaren Anwesenheit von Etwas oder Jemandem im Raum. Aristoteles bezeichnete beispielsweise den Schein als die Parusie des Feuers. Was könnte nun die Parusie der Architektur sein? Alles? Material, Fügung, jedes kleinste Detail? Wenn Aristoteles die Parusie des Feuers auf den Schein reduziert, weitere Wirkungen, wie Temperatur, Geruch ausblendet, so bietet sich ein ähnliches Vorgehen womöglich auch für die Architektur an. Hier wechsle ich nun von der Architektur in die Kunst, mache mir ihre Freiheit und die Unschärfe der Abstraktion zu eigen. Tritt die Architektur doch am eindringlichsten durch ihre Masse und das Dazwischen, den Raum, in Erscheinung, so will ich Masse und Raum zunächst als die Parusie der Architektur deuten. Wie und wo entsteht in, neben, zwischen der Masse Raum? Wo steckt in diesem Raum die Atmosphäre und wann wird ein Raum zu einem spezifischen Ort?

Drei Objekte, sagen wir, es seien Bäume, stehen auf einer Fläche, zwischen ihnen ein imaginäres Dreieck - der Architekt spricht hier von Raum. Zwei Scheiben, nennen wir sie Wände, stehen parallel zueinander, zwischen ihnen eine zweiseitig geöffnete Fläche - der Architekt spricht hier von Wegraum. Die zwei Wände stehen nun schräg zueinander, kreuzen sich, bilden eine Ecke - der Architekt spricht hier von einem Raum. Der Begriff des Raumes erscheint inflationär verwendet, verwässert, trüb im Ausdruck. Zugleich wohnt ihm eine Extravertiertheit inne. Er beinhaltet eine Weite, eine potentielle Ausdehnung, eine zentrifugale Kraft. Was mich interessiert, sind atmosphärische Momente, emotionale Erregungen, die Erlebnisperspektive. Ausgehend vom erlebenden Subjekt bedarf es einer zentripetalen Kraft, eines Sogs, der Erregungen in das Zentrum saugt und verdichtet. Architektur ist Ortkunst. Die Kunst, emotional wirksame Orte mit artifiziellen Mitteln zu schaffen. Orte als Artefakte. Orte aus Masse und Raum, im Inneren das Vakuum. Wo in diesem Vakuum findet die Atmosphäre ihren Halt?


Aus aus dem Katalog ‘fragil’ erschienen zur gleichnamigen Ausstellung im KunstWerk.
Köln, 2025